In einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Rundschau“ argumentiere ich, dass Importzölle für Solarmodule und E-Autos aus Fernost die Energiewende nur künstlich verteuern würden. Europa braucht stattdessen einen Innovationsschub. Hier der Text nochmal.

Die europäische Autoindustrie klagt über unfairen Wettbewerb aus China. Die deutsche Solarindustrie beziehungsweise das, was noch von ihr übrig ist, sowieso. Und das Lamento trägt. So kündigte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in ihrer jüngsten „State of the Union“-Ansprache an, man werde Strafzölle gegen chinesische Elektroautobauer prüfen.

Importzölle von 40 Prozent und mehr auf E-Autos und Photovoltaikmodule (PV) wären aber der falsche Weg – sie machen die Energiewende nur künstlich teuer. Statt den Hahn für vermeintlich hoch subventionierte chinesische Dumpingprodukte zuzudrehen, sollten wir den Hahn für europäische Innovation aufdrehen und den Wettbewerb von „günstiger“ auf „besser“ drehen. Langlebiger, effizienter, von Anfang an 100 Prozent klimaneutral und natürlich nur mit anständigen Lieferketten und ohne Zwangsarbeit.

Vor gut 14 Jahren waren wir in einer ähnlichen Situation. Billige chinesische PV-Module machten den deutschen Pionieren das Leben schwer. Ich war live dabei. Als dann Zölle und Einfuhrbeschränkungen kamen, war die deutsche Solarindustrie bereits tot. Besser wäre es gewesen, die Förderung konsequent auf Qualität auszurichten. Eine niedrigere Vergütung über 30 statt 20 Jahre wäre unter anderem ein Kickstart für viel effizientere und langlebigere (deutsche) „Glas/Glas-Module“ gewesen. Chinesische Module hätten es schwer gehabt. Die Energiewende aber wäre günstiger gewesen.

Niedrige Preise gibt es heute wieder. Denn dank einer Schwemme gibt es Solarmodule in Europa gerade sogar für 12 Cent pro Watt-Peak und damit 50 Prozent billiger als in den USA. Dumping? Nein. Ein ganz normaler „Schweinezyklus“: Chinesische Hersteller haben massiv expandiert, über die aktuelle Nachfrage hinaus. Gleichzeitig haben die USA mit dem „Inflation Reduction Act“ durch eine Mischung aus Importbeschränkungen und „local content requirements“ de facto ihren Markt zugemacht.

Das ist hart für europäische Hersteller, aber eine große Chance für die Energiewende. Warum sollen wir nicht die günstigen Module mitnehmen und damit unsere Stromkosten senken? Gleichzeitig hätten wir, wenn uns China morgen den „Solar-Hahn“ zudreht, immerhin einen Jahresbedarf an Modulen „auf Halde“. Wir selbst sollten diesen Hahn jedenfalls nicht zudrehen.

Wenn wir groß denken, hat Europa noch eine „fighting chance“

Leider wird es schwer, die Solarindustrie zu retten. Umso wichtiger ist es, um den Rest der sauberen Zukunft zu kämpfen. China dominiert längst auch die Batterieindustrie und damit bald potenziell die gesamte Automobilbranche. Nun läuft der strategische Angriff auf Wechselrichter, Windrädern und Wasserstoff-Elektrolyseure. Hier haben wir noch eine „fighting chance“. Aber dazu müssen wir groß denken. Sehr groß. Eine europäische Erneuerbare-Energie-Industrie braucht klare, sehr ambitionierte Ziele, ein strategisches Management der Wertschöpfungsketten ebenso wie eine koordinierte europäische Strukturpolitik. Das beginnt an den Universitäten. Wir müssen mindestens zehnmal so viel in Forschung investieren wie heute. Vor allem müssen wir endlich unsere Forschungsergebnisse viel schneller umsetzen. Aus leidvoller Erfahrung kann ich berichten: Es dauert hierzulande zehn Jahre und mehr bis eigentlich marktreife Technologien einen Platz im System eingeräumt bekommen. Ich habe in den vergangenen 14 Jahren unter anderem zwei Speicher-Unternehmen mit aufgebaut. Das erste 2010. Damals hieß es: Speicher brauchen wir frühestens 2030. Auch von führenden Grünen.

Wir haben trotzdem Europas erstes kommerzielles Batteriekraftwerk gebaut und bewiesen, dass wir das Netz auch ohne Kohle und Atom – nur mit Sonne, Wind und Speichern – stabil halten können. Und genau diesen „echten“ Ökostrom brauchen wir jetzt. Denn: Um im Wettbewerb bestehen zu können, muss die energie-intensive Produktion von Photovoltaik, Windrädern, Batterien, thermischen Speichern und Elektrolyseuren selbstredend von Anfang an 100 Prozent erneuerbar sein. Das ebenfalls viel benötige Kapital dafür müssen wir zu günstigen Zinsen zur Verfügung stellen – durch staatlich garantierte Beteiligungsmodelle, Eigenkapital ersetzende Darlehen, Tax Credits und einen europäischen Venture-Capital-Fonds.

Politik reagiert leider oft erst, wenn der Druck auf dem Kessel zu groß ist. Das können wir uns bei der Energiewende schlicht nicht mehr leisten. Wir müssen vor die Kurve kommen. Aber wenn wir mutig, entschlossen und mit Hirn nach vorne gehen, dann gibt es keinen Grund, warum Europa nicht wieder ein Clean-Tech—Powerhouse werden sollte.

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